Freitag, 27. April 2007

Food Guerilla – Partisanenbericht

In Hundemasken werden die Buffets bei zeitgleichen Vernissagen entführt. Ein Fluchtauto steht bereit. Die Beute wird an geeigneter Stelle verschenkt oder nochmals in einem anderen Kontext ausgestellt. Der geplünderte Ort wird gekennzeichnet. Dies wird als Auszeichnung/Qualitätssiegel angesehen.
Ein Projekt von Julia Tschaikner

Food-Guerilla

24.04.07
Bundesdenkmalamt:

Erster Überfall und Generalprobe. Das Buffet bei der Ausstellungseröffnung im Bundesdenkmalamt ist leider nicht sehr groß, aber wir werden freundlich aufgenommen. Das überwiegend ältere Publikum bittet uns zu bellen und freut sich über die netten Hunderl. Trotzdem können wir von unserem terroristischen Vorhaben nicht absehen und ergattern ein Packerl Orangensaft, Cocktailtomaten und einige Grissini. Das wird auch gleich auf der Straße an hungrige und erschöpfte Passanten verteilt. Ein erster Erfolg für die Gerechtigkeit.

25.04.07
ORF Landesstudio & Babenbergerhof:

Heute wird es ernst. Vernissage der beiden Architekten Szyszkowitz&Kowalski in den ORF-Landesstudios. Kein Üben mehr, sondern professionell organisierte RobinHood-Kriminalität. Wir warten Reden und ständiges Zwischenapplaudieren ab, stürmen dann in Richtung Buffet. Der Schnauzer versucht die Massen mit Flugzetteln, Origami und einem Stencilplakat zu beschwichtigen und von unseren hehren Motiven zu überzeugen. Der Dalmatiner und der Beagel versuchen die Schinkenkipferl in Kisten umzuladen. Auf einmal wird der Dalmatiner enttarnt, da ihm der Herr des Hauses die Maske vom Kopf reißt. Es braucht Argumentation und Erklärung unserer noblen Ideale, aber sie zeigen keine Wirkung. Der Herr fühlt sich beraubt und zerrt an der Kiste die der Beagel in der Hand hat. Der kann sie aber zurückerobern, schnappt noch zwei Kipferln und verlässt das Lokal. Eine zweite Kiste muss zurückgelassen werden. Die anderen Hunde flüchten auch verwirrt über das Unverständnis der Besitzerklasse. Kaum im Forumheadquater angekommen wird eine Diskussion über Umverteilung mit der Beute unterfüttert. Der zweite Teil wird in den Babenbergerhof gebracht, der an sich schon ein karitatives Unternehmen ist. Dort wird gejazzt und man freut sich über die Ankunft des Rudels. Die Leute werden informiert, die armen Musiker mit Essen versorgt. Aber es wäre keine Umverteilung wenn wir nicht auch dort etwas mitnehmen würden. Der große Erfolg ist eine kleine, aber sehr qualitätsvolle Hartwurst, die an zwei hungernde Künstler im Peepatelier gebracht wird. Wir fühlen uns erschöpft, glücklich, unverstanden, aber lassen uns um nichts in unserer Motivation die Welt zu einer besseren zu machen einschränken.


26.04.07
Lorli Ritschel Foundation, Katholische Hochschulgemeinde, Bene Zumthobel Graz:

Jetzt aber richtig. Heute haben wir volles Programm und sind überzeugt, dass wir es schaffen der Oberschicht ein Stück ihres Wohlstandes zu entreißen und ihn dem Prekariat zukommen zu lassen. Der Grundherr, der uns gestern noch angefeindet hat, lässt uns per Telefon ausrichten, dass er ja eigentlich eh für die Kunst der Umverteilung zu haben ist und auch er kein böser wäre, aber in der Hektik ging halt alles so schnell. Das kann uns nur bestärken. Ab in die Innenstadt zur Vernissage der Lorli Ritschl Foundation. Wir fahren in einem engen Liftabteil in die Ungewissheit, stürmen in die Galerie wo vereinzelt Leute herumstehen, Wein trinken und Kunst betrachten. Sehr schick. Das Buffet gleicht dem Schlaraffenland. Die Leute erstarren zu Salzsäulen und nehmen unsere Flugzettel freundlich lächelnd an. Keiner wagt es den Helden zu spielen und uns am Plündern zu hindern. Gut so. Wir erbeuten Kapern die so groß sind wie Melonen, SanDaniele-Schinken, Pastetchen und ein mehrere Kilo schweres Stück Parmesan.
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Dann die steilen Stiegen hinab und in das Auto um gleich zum Videodreh des Binder&Kriegelstein-Videos zu fahren. Aus zuverlässigen Partisanenquellen wissen wir, dass es dort etwas zu holen gibt. Milde Enttäuschung als wir den Saal betreten. Die Videodreher sind selbst arm wie Kirchenmäuse, aber wir können sie nicht verschonen, schließlich haben wir eine Mission. Wir nehmen ihnen ein Baguette und zwei Becher Gulasch aus der Kanone. Dafür leisten wir aber auch Dienste und stellen uns kurz schunkelnd vor den Bluescreen. Zurück zur Homebase und im Park ein Obdachlosenbuffet aufgebaut. Sehr gut. Arbeiterklasse bedien dich. Wieder los zu einer Vernissage in die Katholische Hochschulgemeinde. Wenig Kunst, wenig Menschen, aber ein Buffet. Wir werden fotografiert, man sieht uns zu und bei der Flucht steht man uns sogar Spalier. Die Katholen waren immer schon für Umverteilung zu haben. Leichtes Spiel. Richtig hart wird es erst beim Bene-Center wo die AllesWirdGut-Architekten sich feiern lassen. Zwar glauben wir auch daran, dass alles gut wird, aber unsere Erfahrungen mit der Architektengemeinde vom Vortag hat uns doch etwas eingeschüchtert. Durch die Glasfront sehen wir schon das Buffet, dass mehr Kunstobjekten als Nahrung ähnelt. Wir warten ab. Der richtige Zeitpunkt ergibt sich erst nach einiger Zeit. Wir stürmen. Alles weniger gefährlich als erwartet. Die Architekten sehen uns verdutzt an, manche denken sogar wir sind Teil der Abendgestaltung. Kreuz und Quer zwischen schwarzen Anzügen. Spargelspießchen, Pastetenspießchen, Calamarispießchen, Weiß- und Nanbrot. Was Herz und Magen begehren. Die Soßen müssen wir stehen lassen. Zufrieden geht es zurück ins Forum. Wir spüren es. Der Gesinnungswandel setzt ein. Die Reichen freuen sich, die Armen sind dankbar. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Hunde die Welt verändern würden?

Konzept: Julia Tschaikner
Text: Matthias Aberer

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